Vielmetter Johannes über sich

"Es ist mir in meiner Jugend als Angehöriger der 68er-Generation schwer gefallen, nach dem «Wirtschaftswunder» mich in der Welt der zunehmenden Verbürgerlichung zurechtzufinden. Ich verliess die Schule voll wilder Entschlossenheit zum kulturellen Rebellentum. Meine Haare waren lang, die Kleidung bunt, die Schuhe selber genähte Mokassins. Mit 22 Jahren begann ich schliesslich eine Tischlerlehre, die ich 1978 mit Gesellenprüfung abschloss. Des bürgerlichen Möbelhandwerks war ich aber zunächst einmal satt, und ich bin zu den Indianern gegangen. Bei ihnen hoffte ich noch urtümliches, unverbogenes Leben zu finden. Ich musste aber erfahren, dass ihre Kultur zersetzenden Einflüssen der modernen Zivilisation des Westens nicht zu widerstehen vermag und immer mehr dem Zerfall ausgesetzt ist. Die erlebte Enttäuschung hat mir sehr zugesetzt. Nach meiner Rückkehr aus dem «Pine Ridge Reservat» begann ich auf der Alanus Hoschule in Alfter bei Bonn Malerei zu studieren. Durch die dort herrschenden Methoden fühlte ich mich in meinem Gestaltungswillen eher eingeengt als befreit. Deshalb weckte die vom Gastdozenten Ernst Bühler angesagte Epoche für Mosaikbau grosse Hoffnung in mir.

Eine Mosaikausstellung in seinem alten Garten wies auf ganz neue Möglichkeiten des Gestaltens hin. Man sah Mosaike seiner Schüler, solche aus Lehrerkursen und einige von ihm selber. Obwohl die Arbeiten sich deutlich voneinander unterscheiden, schienen sie mir ein gemeinsames Anliegen zu verraten. Es war darauf geachtet worden, die den Steinen innewohnende Ausdruckskraft so weit als möglich in das Mosaik einzubringen.

Wichtig waren naturbelassene Steine, die sich trotz verschiedenartiger Formen, Zeichnungen und Farben in die Ganzheit des Bildes einfügen. Den Stein seine Sprache sprechen lassen, erschien mir als etwas Neues, das in der Mosaikkunst der Vergangenheit selten oder gar nicht vorkommt. Das Anliegen dieser Ausstellung war sehr spannend. Die Mosaike wirkten besonders stark, weil sie so sehr verschieden und im Hinblick auf die beeindruckende Kraft, die sie ausstrahlen, einander doch sehr verwandt sind. Das weckte Hoffnung zu einem neuen Gestalten.

Diese Hoffnungen sind in Erfüllung gegangen. Allein schon die auf Kiesbänken, in Bachbetten und Steinbrüchen gesammelten Steine vermochten mich zu beglücken. Sie sollten in Zukunft meine Palette sein. Den Pinsel habe ich mit dem Hammer vertauscht und die Bilder hat nicht mehr mit Farben auf Papier gemalt, sondern mit Steinen in Beton gegossen. Es begann eine neue Epoche, die meinem Leben eine Kraft gegeben hat, wie ich es vorher kaum je erfahren hatte. Das Erwachen zur Vielfalt und stillen Schönheit der Steine hat mich zu freudigem Gestalten angeregt. Die Auswahl meiner hier abgebildeten Mosaike zeigt, dass eine starke Verbundenheit mit dem Tier in mir lebt. Ich versuche immer wieder, tote Steine durch die Mosaikkunst ins Lebendige hinein zu verwandeln, so dass sie als Fisch zu schwimmen, als Vogel zu fliegen oder als Pferd zu gallopieren begannen."

Aus:     Ernst Bühler     
            "Natursteinmosaike: Die Kraft des Schweigens als Sprache des Steins"
           
 Verlag Paul Haupt, Bern, Stuttgart, Wien
            Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart
            ISBN  3-258-06316-8  Verlag Paul Haupt
            ISBN  3-7725-2208-4  Verlag freies Geistesleben